Transmenschen in Europa – alarmierende Zahlen

Die alarmierende Wirklichkeit für Transmenschen in der EU beleuchtet ein neuer Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA): Gewalt und Diskriminierung sind an der Tagesordnung, viele Transpersonen verheimlichen ihre Identität, werden marginalisiert und leben in Isolation oder sogar Angst.

Cover Being Trans in EU«Jeder Mensch hat das Recht, er selbst zu sein. Tatsächlich leben jedoch viele Transmenschen in Furcht, da die Gesellschaft Transpersonen und ihren Bedürfnissen häufig intolerant und ignorant gegenübersteht», erklärt der FRA-Direktor FRA, Morten Kjaerum. «Unser Bericht zeigt, dass Transmenschen deutlich besser in Mitgliedstaaten leben, die ein Problembewusstsein aufweisen und Massnahmen zum Schutz und zur Unterstützung von Transmenschen entwickeln. Die EU und alle Mitgliedstaaten sollten diesen Beispielen folgen, damit alle Transmenschen in jeder Situation sie selbst sein können.»

Auf den Ergebnissen der umfangreichen LGBT-Umfrage von 2013 in der EU fussend, zeigt der FRA-Bericht, wie häufig Transmenschen Diskriminierung, Viktimisierung, Belästigungen und Respektlosigkeit erfahren. Konfrontiert sind Transmenschen insbesondere mit folgenden Schwierigkeiten:

  • Wiederholte Gewalt: Mehr als zwei von fünf befragten Transmenschen, die Opfer von Gewalt wurden, gaben an, innerhalb des Jahres vor der Erhebung dreimal oder häufiger Opfer von Gewalt geworden zu sein. Politische Massnahmen zur Bekämpfung hassmotivierter Gewalt und Belästigung müssen insofern verbessert werden, als dass sie besonderen Schutz vor transphoben Hassverbrechen gewährleisten und die Sensibilisierung der Polizei für den Umgang mit solcher Hasskriminalität einschliessen.
  • Angst, man selbst zu sein: Ein Drittel aller befragten Transmenschen vermied es, ihrer Geschlechtsidentität durch Aussehen und Kleidung Ausdruck zu verleihen – aus Furcht, angegriffen, bedroht oder belästigt zu werden. Die Hälfte der befragten Transmenschen mied aus Angst öffentliche Plätze und Orte wie Strassen oder Parkplätze. Beinahe jeder/jede fünfte Befragte vermied es selbst im eigenen häuslichen Umfeld, offen zu sein. Auf EU- und nationaler Ebene sollten die Massnahmen zum besseren Schutz von Transmenschen verstärkt werden und auch die Bereiche Geschlechtsidentität sowie geschlechtliche Ausdrucksformen umfassen. Die EU Mitgliedstaaten sollten zudem sicherstellen, dass die neue Geschlechtsidentität in Identitätsdokumenten auch ohne medizinische Eingriffe oder eine Scheidung anerkannt wird, damit Transmenschen ihre Grundrechte gewährleistet werden.
  • Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen: Eine von drei befragten Transmenschen gab an, bei der Stellensuche oder am Arbeitsplatz diskriminiert worden zu sein. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Gesetze zum Schutz vor Diskriminierung ausdrücklich die Geschlechtsidentität einschliessen müssen. Arbeitgeber sollten Schulungen zur Diversität erwägen, um die Sensibilität für das Thema Transgender zu erhöhen; Schulen sollten eine sichere Umgebung für Transgender-Schüler und objektive Informationen über Geschlechtsidentität und geschlechtliche Ausdrucksformen bieten; und Fachkräfte im Gesundheitswesen sollten für die medizinischen Bedürfnisse von Transmenschen sensibilisiert werden.

HarassmentDie Erhebung zeigt ausserdem, dass junge, arbeitslose und aus den untersten Einkommensschichten kommende Transmenschen häufiger angeben, Erfahrungen mit Diskriminierung, Belästigungen und Gewalt gemacht zu haben.

Der Bericht liefert zudem Belege, dass in Ländern, in denen Aktionspläne, positive Massnahmen und Gleichstellungspolitiken etabliert sind, Transmenschen offener sind und ein besseres Leben führen können.

Der vollständige Bericht ist auf Englisch online abrufbar.

(Quelle: FRA Medienmitteilung vom 9.12.2014)

Und wie ist die Situation in der Schweiz?

Für die Schweiz gibt es bislang keine Zahlen. Einzig eine kleine Studie zum Thema «Transmenschen in der Arbeitswelt» zeigt auf, dass die Arbeitslosigkeit ca. sechsmal höher als in der Gesamtbevölkerung ist. Im Rahmen der Beratungstätigkeit von TGNS werden Fälle von Diskriminierung, Mobbing, Ungleichbehandlung oder das Gefühl der Rechtlosigkeit immer wieder thematisiert. Dies gilt vor allem für den Bereich der Namens- und Personenstandsänderung oder den Umgang mit den Krankenkassen.

Zum Thema Diskriminierung, Hass und Gewalt gegenüber Transmenschen, Lesben, Schwulen und Bisexuellen wird TGNS zusammen mit Pink Cop und Pink Cross im nächsten Jahr ein Monitoringprojekt starten.